Beschreibung und Einordnung des BuchschmucksDiese Arbeit kann dem sehr produktiven Atelier des Mariano del Buono (1433–1504) zugeordnet werden (dazu s. Galizzi 2004 , 727–730). Die Bianchi girari mit ihren für diesen Meister so typischen, länglich geformten Kerbblättern und Zitrusfrüchten in den Zwickeln sowie die daran angesetzten Fleuronnée-Arrangements mit bewimperten, kreisrunden Goldtropfen, deren oberster Faden sich jeweils zu einer wippenden Locke dreht, entsprechen ganz dem bekannten Muster seiner Werkstatt aus der Zeit um 1470 (vgl. Cod. 23, 224, 438). Mit der Gestaltung der einleitenden Deckfarbeninitiale auf goldenem Streumuster-Grund bringt er jedoch Neues (vergleichbar den feinen weißen Dekoren der Initialen eines um 1475 datierbaren Graduales seiner Werkstatt, heute Metropolitan Museum of Art, 96.32.15 und 96.32.16, und vorausweisend auf jene in Ms 16 der Sammlung Rothschild in Waddeston Manor, Aylesbury: dem um 1488 entstandenen, sog. Stundenbuch der Medici-Rothschild). Ebenso neu oder vielmehr andersartig erscheint die sehr plastische Durcharbeitung der beiden großen Putten im Bas-de-page, die sich von den sfumato-artig, bisweilen fleckig schattierten Putten der übrigen Produktion auffallend unterscheiden (vgl. beispielsweise Cod. 23, f. 1r). Es besteht die Möglichkeit, dass Mariano zu dieser Zeit mit einem zweiten Meister zusammengearbeitet und im Zuge dessen auch weitere Inspirationen aufgenommen hat, zumal er für manche Aufträge bekanntermaßen im Kollektiv arbeitete (etwa an den Äsop-Fabeln für Piero de’ Medici um 1480; heute New York, Public Library, Spencer Coll. MS. 50). Die nächste Parallele zum Wiener Cod. Ser. n. 12758 stellt Ms 27 der Spencer Collection in der New Yorker Public Library dar. Diese Handschrift wurde vom selben Schreiber geschrieben und ebenfalls in Mariano del Buono’s Atelier illuminiert. Auch die beiden großen Putten im Bas-de-page sind sehr kompakt und plastisch modelliert. Es handelt sich bei diesem Codex, der zudem sehr ähnliche Maße wie der Wiener Codex (359 x 244 mm) und dieselbe Zeilenzahl pro Seite (36 Zeilen) aufweist, um die “Decas III” des Livius . Es besteht daher wohl aller Grund zur Annahme, dass dieser Band wie der Wiener Codex einst zu einer Livius-Ausgabe für König Matthias Corvinus gehörte (De la Mare 1985 , 501–503, Nr. 29). Madas erkannte allerdings zurecht kleine Unterschiede in der Ausführung der vom sog. “Zweiten Wappenmaler ” in Buda eingemalten Wappen und ordnete jenes in Cod. Ser. n. 12758 dem Typus A5, jenes in Ms 27 der Spencer Collection dem Typus A1 zu (Madas 2009 , 57, Nr. 84 und 82). Die Gründe für die unterschiedliche Ausführung (in der Spencer Collection mit Herzwappen der Hunyadis , in Wien ohne Herzwappen) sind unbekannt. Strittig ist mangels eingetragener Daten auch der Datierungsansatz. Sprach sich Seymour De Ricci 1937 für eine Entstehung des Ms 27 der Spencer Collection um 1475 aus, so datiert die rezentere Forschung – auch im Hinblick darauf, dass v.a. Johannes Vitéz (1471 in Ungnade gefallen, 1472 gestorben) Livius-Ausgaben sammelte – sowohl diesen, als auch den zugehörigen Wiener Codex 22 wie die anderen bekannten Bianchi girari-Werke Marianos um 1460/70 (Csapodi 1973 , Bibliotheca Corviniana 1990 , Madas 2009 ).
Offene Fragen zur ProvenienzNach Albinia de la Mare entstand die Handschrift in Vespasiano da Bisticcis Umfeld. Diese Feststellung wird auch dadurch gestützt, dass die meisten Codices in der Familie γ Werke von Schreiber sind, die mit dem cartolaio in Verbindung standen (de la Mare 1971, 178 ; s. auch Textüberlieferung).
Aufgrund der formalen Übereinstimmungen gehören die Codices New York, Public Library, Spencer Coll. MS. 27 (Dekade 3) und Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 12758 (Dekade 4) unzweifelhaft zur selben Livius-Reihe (vgl. de la Mare 1971, 185 ; Bibliotheca Corviniana 1990, 67, Nr. 196 ). Albinia de la Mare hält Wien, ÖNB, Cod. 22 – kopiert ebenfalls vom Schreiber der genannten zwei Handschriften, Giovanfrancesco Marzi – für den ersten Band derselben Reihe. Aufgrund der weniger kalligraphischen Schrift der Handschrift nimmt sie jedoch an, dass Cod. 22 etwas früher entstanden ist, als die anderen beiden Teile der Reihe. Auch bei der Ausstattung zeigt sich sie Sonderstellung dieses Codex. Sie stammt nicht vom Miniator der Dekaden 3 und 4, Mariano del Buono , sondern von Francesco Antonio del Chireico . (Vgl. Cod. 22.)
In Hinblick auf die Anzahl der angefertigten Livius-Abschriften, steht Giovanfrancesco Marzi im Wettstreit mit Messer Piero Strozzi . Neben den nach Ungarn gelangten Codices blieben mehrere von ihm kopierte Livius-Reihen erhalten: Bologna, Univ. 2241, 2233, 2245, Dekaden 1, 3, 4 (für Domenico de’ Domenichi , 1469);
Florenz, BML, Plut.63.7,
Plut.63.8,
Plut.63.9 (für Francesco Sassetti , mit Annotationen von Bartolomeo Fonzio , Miniator: Mariano del Buono ); Oxford, Bodl. Canon. Class. Lat. 296 (Dekade 3), 297 (Dekade 4). Vereinzelt erhaltene Abschrifte: Holkham Hall 351 (Dekade 3); Brussels, BR IV 274 (Fragment von der Dekade 3). (Vgl. de la Mare 1985, 50, Nr. 29.)
Es bleibt ungeklärt, wer der erste Besitzer der Handschrift, bzw. der vorliegenden Livius-Reihe in Ungarn war. Ähnlich wie die Mehrzahl des bianchi girari-Bestandes der Bibliotheca Corviniana, gelangte sie erstens wohl nicht direkt in die königliche Bibliothek, sondern in die Sammlung eines hohen Klerikers. Kandidate dafür sind Johannes Vitéz de Zredna , György Handó oder Janus Pannonius . Man sammelte zu dieser Zeit gerne mehrere Livius-Ausgaben. So besaß auch Johannes Vitéz mehrere Livius-Handschriften: Wien, ÖNB, Cod. 3099; München, BSB, Clm 15731,15732m, 15733. Die Livius-Reihe des György Handó besteht aus Città del Vaticano, BAV, Cod. Barb. 168 (Dekade 1), Verona, Biblioteca Capitolare, CXXXVI (Dekade 3), CXXXVII (Dekade 4). Sie gelangte später in die Bibliotheca Corvina.
(Siehe auch Cod. 22, Offene Fragen zur Provenienz.)
TextüberlieferungDie Textüberlieferung der Dekade 4 kann aufgrund B (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Class. 35*, Bamberg, 11. Jh., enthält den Text bis 38.46.4), und mehr als 90 recentiores Handschriften (hauptsächlich aus den 14/15. Jh.), wozu auch Cod. ser. n. 12 758 gehört, rekonstruiert werden. Letztere enthalten das Buch 33 nicht und enden am 40.37.3. Der Archetyp der dominanten Überlieferung ist F (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Class. 35a*, Italien, 5. Jh., als Fragment erhalten). Von F wurde B im 11. Jh. abgeschrieben, und F ist auch die Quelle für den verlorenen Subarchetyp der gesamten italienischen Überlieferung χ. Unter den Zeugen der χ sind drei Äste des Stemmas zu unterscheiden : ψ, α und φ, unter denen ψ und φ die bedeutenderen sind. ψ umfasst zwar jüngere Zeugen, bewahrt aber einen älteren Textzustand: ψ und B stimmen in ihren Fehlern gegen φ überein. Die zahlreichen Fehler in der Worttrennung weisen darauf hin, dass der Text der Vorlage von ψ in scriptura continua geschrieben war und damit wohl eine sehr alte Handschrift war. (Vgl. de Franchis 2014 .)
Alle Zeugen des Astes ψ wurden in Florenz, in der ersten Hälfte des 15. Jhs. kopiert (vgl. de la Mare 1971, 178 ). Ast φ, der ebenfalls aus italienischen Handschriften besteht, lässt sich in zwei weitere Äste, β und γ teilen. Darunter enthält vor allem γ Florentiner Zeugen. In ihrem Handschriftenzensus der Dekade 4 hat Albinia de la Mare auch Cod. ser. n. 12758 aufgenommen. Sie weist den Text zwar nicht eindeutig zu, erwähnt die Handschrift aber im Kontext der Gruppe γ (vgl. de la Mare 1971, 185 ). Nach Albinia de la Mare wurden die meisten Handschriften in γ von Florentiner Schreibern kopiert, die mit dem Florentiner cartolaio Vespasiano da Bisticci in engem Kontakt standen. Einer von ihnen war auch Giovanfrancesco Marzi , der Schreiber des Cod. Ser. n. 12758. Die Praxis der dreibändigen Anordnung des Livius-Textes entstand ebenfalls in diesem Kreis. Marzi hat mehrere Livius-Reihen abgeschrieben, aber verwendete – ähnlich wie Vespasiano – unterschiedliche Handschriften als Vorlagen für die einzelnen Reihen, die auch unterschiedlichen Ästen des Stemmas angehören: Bologna, Univ. 2245 (Dekade 4): γ; Firenze, BML, Plut.63.9 (Dekade 4): β; Oxford, Bodl. Canon Class. Lat. 297 (Dekade 4): editio princeps (Sweynheym, Pannartz, Rom, 1469, hg. von Giovanandrea Bussi, GW M18470). (Vgl. de la Mare 1971, 185 ; s. auch Offene Fragen zur Provenienz).
Das Buch XXXI wird durch eine Zierinitiale vom selben Typ und Grad wie die anderen Initialen zu Beginn der Einzelbücher in zwei Teile geteilt (f. 9v ): der erste Teil – als erste Buch – endet mit 26.13 und der zweite – als zweite Buch – beginnt zu 27.1. Damit erhöht sich die Zahl der der Bücher der vierten Dekade im Codex um eins auf zehn. Diese Gliederung ist im Ast α zu beobachten (vgl. Briscoe 1991, I., $$ ). In Leipzig, UB, Rep. I.1, f. 153r (Lips. bei Briscoe 1991, I., XXIV ) wird diese Aurteilung nicht nur eine historisierte Initiale, sondern auch durch eine subscriptio markiert (Titi Livii Patavini hystoriographi de bello Macedonico liber primus explicit incipit secundus
.).
Beschreibung und Einordnung des BuchschmucksDiese Arbeit kann dem sehr produktiven Atelier des Mariano del Buono (1433–1504) zugeordnet werden (dazu s. Galizzi 2004 , 727–730). Die Bianchi girari mit ihren für diesen Meister so typischen, länglich geformten Kerbblättern und Zitrusfrüchten in den Zwickeln sowie die daran angesetzten Fleuronnée-Arrangements mit bewimperten, kreisrunden Goldtropfen, deren oberster Faden sich jeweils zu einer wippenden Locke dreht, entsprechen ganz dem bekannten Muster seiner Werkstatt aus der Zeit um 1470 (vgl. Cod. 23, 224, 438). Mit der Gestaltung der einleitenden Deckfarbeninitiale auf goldenem Streumuster-Grund bringt er jedoch Neues (vergleichbar den feinen weißen Dekoren der Initialen eines um 1475 datierbaren Graduales seiner Werkstatt, heute Metropolitan Museum of Art, 96.32.15 und 96.32.16, und vorausweisend auf jene in Ms 16 der Sammlung Rothschild in Waddeston Manor, Aylesbury: dem um 1488 entstandenen, sog. Stundenbuch der Medici-Rothschild). Ebenso neu oder vielmehr andersartig erscheint die sehr plastische Durcharbeitung der beiden großen Putten im Bas-de-page, die sich von den sfumato-artig, bisweilen fleckig schattierten Putten der übrigen Produktion auffallend unterscheiden (vgl. beispielsweise Cod. 23, f. 1r). Es besteht die Möglichkeit, dass Mariano zu dieser Zeit mit einem zweiten Meister zusammengearbeitet und im Zuge dessen auch weitere Inspirationen aufgenommen hat, zumal er für manche Aufträge bekanntermaßen im Kollektiv arbeitete (etwa an den Äsop-Fabeln für Piero de’ Medici um 1480; heute New York, Public Library, Spencer Coll. MS. 50). Die nächste Parallele zum Wiener Cod. Ser. n. 12758 stellt Ms 27 der Spencer Collection in der New Yorker Public Library dar. Diese Handschrift wurde vom selben Schreiber geschrieben und ebenfalls in Mariano del Buono’s Atelier illuminiert. Auch die beiden großen Putten im Bas-de-page sind sehr kompakt und plastisch modelliert. Es handelt sich bei diesem Codex, der zudem sehr ähnliche Maße wie der Wiener Codex (359 x 244 mm) und dieselbe Zeilenzahl pro Seite (36 Zeilen) aufweist, um die “Decas III” des Livius . Es besteht daher wohl aller Grund zur Annahme, dass dieser Band wie der Wiener Codex einst zu einer Livius-Ausgabe für König Matthias Corvinus gehörte (De la Mare 1985 , 501–503, Nr. 29). Madas erkannte allerdings zurecht kleine Unterschiede in der Ausführung der vom sog. “Zweiten Wappenmaler ” in Buda eingemalten Wappen und ordnete jenes in Cod. Ser. n. 12758 dem Typus A5, jenes in Ms 27 der Spencer Collection dem Typus A1 zu (Madas 2009 , 57, Nr. 84 und 82). Die Gründe für die unterschiedliche Ausführung (in der Spencer Collection mit Herzwappen der Hunyadis , in Wien ohne Herzwappen) sind unbekannt. Strittig ist mangels eingetragener Daten auch der Datierungsansatz. Sprach sich Seymour De Ricci 1937 für eine Entstehung des Ms 27 der Spencer Collection um 1475 aus, so datiert die rezentere Forschung – auch im Hinblick darauf, dass v.a. Johannes Vitéz (1471 in Ungnade gefallen, 1472 gestorben) Livius-Ausgaben sammelte – sowohl diesen, als auch den zugehörigen Wiener Codex 22 wie die anderen bekannten Bianchi girari-Werke Marianos um 1460/70 (Csapodi 1973 , Bibliotheca Corviniana 1990 , Madas 2009 ).
Offene Fragen zur ProvenienzNach Albinia de la Mare entstand die Handschrift in Vespasiano da Bisticcis Umfeld. Diese Feststellung wird auch dadurch gestützt, dass die meisten Codices in der Familie γ Werke von Schreiber sind, die mit dem cartolaio in Verbindung standen (de la Mare 1971, 178 ; s. auch Textüberlieferung).
Aufgrund der formalen Übereinstimmungen gehören die Codices New York, Public Library, Spencer Coll. MS. 27 (Dekade 3) und Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 12758 (Dekade 4) unzweifelhaft zur selben Livius-Reihe (vgl. de la Mare 1971, 185 ; Bibliotheca Corviniana 1990, 67, Nr. 196 ). Albinia de la Mare hält Wien, ÖNB, Cod. 22 – kopiert ebenfalls vom Schreiber der genannten zwei Handschriften, Giovanfrancesco Marzi – für den ersten Band derselben Reihe. Aufgrund der weniger kalligraphischen Schrift der Handschrift nimmt sie jedoch an, dass Cod. 22 etwas früher entstanden ist, als die anderen beiden Teile der Reihe. Auch bei der Ausstattung zeigt sich sie Sonderstellung dieses Codex. Sie stammt nicht vom Miniator der Dekaden 3 und 4, Mariano del Buono , sondern von Francesco Antonio del Chireico . (Vgl. Cod. 22.)
In Hinblick auf die Anzahl der angefertigten Livius-Abschriften, steht Giovanfrancesco Marzi im Wettstreit mit Messer Piero Strozzi . Neben den nach Ungarn gelangten Codices blieben mehrere von ihm kopierte Livius-Reihen erhalten: Bologna, Univ. 2241, 2233, 2245, Dekaden 1, 3, 4 (für Domenico de’ Domenichi , 1469);
Florenz, BML, Plut.63.7,
Plut.63.8,
Plut.63.9 (für Francesco Sassetti , mit Annotationen von Bartolomeo Fonzio , Miniator: Mariano del Buono ); Oxford, Bodl. Canon. Class. Lat. 296 (Dekade 3), 297 (Dekade 4). Vereinzelt erhaltene Abschrifte: Holkham Hall 351 (Dekade 3); Brussels, BR IV 274 (Fragment von der Dekade 3). (Vgl. de la Mare 1985, 50, Nr. 29.)
Es bleibt ungeklärt, wer der erste Besitzer der Handschrift, bzw. der vorliegenden Livius-Reihe in Ungarn war. Ähnlich wie die Mehrzahl des bianchi girari-Bestandes der Bibliotheca Corviniana, gelangte sie erstens wohl nicht direkt in die königliche Bibliothek, sondern in die Sammlung eines hohen Klerikers. Kandidate dafür sind Johannes Vitéz de Zredna , György Handó oder Janus Pannonius . Man sammelte zu dieser Zeit gerne mehrere Livius-Ausgaben. So besaß auch Johannes Vitéz mehrere Livius-Handschriften: Wien, ÖNB, Cod. 3099; München, BSB, Clm 15731,15732m, 15733. Die Livius-Reihe des György Handó besteht aus Città del Vaticano, BAV, Cod. Barb. 168 (Dekade 1), Verona, Biblioteca Capitolare, CXXXVI (Dekade 3), CXXXVII (Dekade 4). Sie gelangte später in die Bibliotheca Corvina.
(Siehe auch Cod. 22, Offene Fragen zur Provenienz.)
TextüberlieferungDie Textüberlieferung der Dekade 4 kann aufgrund B (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Class. 35*, Bamberg, 11. Jh., enthält den Text bis 38.46.4), und mehr als 90 recentiores Handschriften (hauptsächlich aus den 14/15. Jh.), wozu auch Cod. ser. n. 12 758 gehört, rekonstruiert werden. Letztere enthalten das Buch 33 nicht und enden am 40.37.3. Der Archetyp der dominanten Überlieferung ist F (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Class. 35a*, Italien, 5. Jh., als Fragment erhalten). Von F wurde B im 11. Jh. abgeschrieben, und F ist auch die Quelle für den verlorenen Subarchetyp der gesamten italienischen Überlieferung χ. Unter den Zeugen der χ sind drei Äste des Stemmas zu unterscheiden : ψ, α und φ, unter denen ψ und φ die bedeutenderen sind. ψ umfasst zwar jüngere Zeugen, bewahrt aber einen älteren Textzustand: ψ und B stimmen in ihren Fehlern gegen φ überein. Die zahlreichen Fehler in der Worttrennung weisen darauf hin, dass der Text der Vorlage von ψ in scriptura continua geschrieben war und damit wohl eine sehr alte Handschrift war. (Vgl. de Franchis 2014 .)
Alle Zeugen des Astes ψ wurden in Florenz, in der ersten Hälfte des 15. Jhs. kopiert (vgl. de la Mare 1971, 178 ). Ast φ, der ebenfalls aus italienischen Handschriften besteht, lässt sich in zwei weitere Äste, β und γ teilen. Darunter enthält vor allem γ Florentiner Zeugen. In ihrem Handschriftenzensus der Dekade 4 hat Albinia de la Mare auch Cod. ser. n. 12758 aufgenommen. Sie weist den Text zwar nicht eindeutig zu, erwähnt die Handschrift aber im Kontext der Gruppe γ (vgl. de la Mare 1971, 185 ). Nach Albinia de la Mare wurden die meisten Handschriften in γ von Florentiner Schreibern kopiert, die mit dem Florentiner cartolaio Vespasiano da Bisticci in engem Kontakt standen. Einer von ihnen war auch Giovanfrancesco Marzi , der Schreiber des Cod. Ser. n. 12758. Die Praxis der dreibändigen Anordnung des Livius-Textes entstand ebenfalls in diesem Kreis. Marzi hat mehrere Livius-Reihen abgeschrieben, aber verwendete – ähnlich wie Vespasiano – unterschiedliche Handschriften als Vorlagen für die einzelnen Reihen, die auch unterschiedlichen Ästen des Stemmas angehören: Bologna, Univ. 2245 (Dekade 4): γ; Firenze, BML, Plut.63.9 (Dekade 4): β; Oxford, Bodl. Canon Class. Lat. 297 (Dekade 4): editio princeps (Sweynheym, Pannartz, Rom, 1469, hg. von Giovanandrea Bussi, GW M18470). (Vgl. de la Mare 1971, 185 ; s. auch Offene Fragen zur Provenienz).
Das Buch XXXI wird durch eine Zierinitiale vom selben Typ und Grad wie die anderen Initialen zu Beginn der Einzelbücher in zwei Teile geteilt (f. 9v ): der erste Teil – als erste Buch – endet mit 26.13 und der zweite – als zweite Buch – beginnt zu 27.1. Damit erhöht sich die Zahl der der Bücher der vierten Dekade im Codex um eins auf zehn. Diese Gliederung ist im Ast α zu beobachten (vgl. Briscoe 1991, I., $$ ). In Leipzig, UB, Rep. I.1, f. 153r (Lips. bei Briscoe 1991, I., XXIV ) wird diese Aurteilung nicht nur eine historisierte Initiale, sondern auch durch eine subscriptio markiert (Titi Livii Patavini hystoriographi de bello Macedonico liber primus explicit incipit secundus
.).
Die Wiener Corvinen. Beschreibung von Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 12758. Version 0.1, 8.5.2025. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/fedora/objects/o:crv.cod-sn-12758/methods/sdef:TEI/get
Verantwortlich für die BeschreibungIvana Dobcheva (Kodikologie), Katharina Kaska (Kodikologie), Marianne Rozsondai (Einband), Friedrich Simader (Geschichte), Maria Theisen (Buchschmuck), Edina Zsupán (Texterschließung, Literaturerfassung)
LizenzhinweisDie Beschreibung der Handschriften sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
LinksDas Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus der Sammlung von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek.