Beschreibung und Einordnung des BuchschmucksJede der vergoldeten, jeweils auf einer Seite gelb gehöhten Initialen ruht auf dunkelblauem Feld, das sich in seiner Form den Außenkonturen der die Initiale umwuchernden Weißranken anpasst. Zwickel und Zwischenräume, die sich durch die Überschneidungen der Rankenzweige ergeben, wurden zartgrün. rosa und blau ausgemalt und durch kleine weiße Dreipunktgruppen akzentuiert. Die Ranken selbst sind kräftig, weisen in regelmäßigen Abständen knopfartige Rundblättchen und Einkerbungen auf und enden in fleischigen Blättern in Herzform, Trifolien oder untersichtigen Blütenkelchen (der Fruchtknoten erscheint somit jeweils als Ring, der auf die sich verjüngende Ranke aufgesteckt ist). Kammartige, gekerbte Blattformen begrenzen die tendentiell quadratischen Außenfelder (siehe z.B. f. 25r, links). Die Plastizität der organisch aus Blattkelchen wachsenden Weißranken wurde durch zarte, ockerfarbene Lavierungen betont. An die Initial-Außenfelder setzt feiner Tintendekor an, der aus sich volutenförmig eindrehenden Einzelfäden mit Punktverdickung am Ende oder bewimperten Goldtropfen als Schlussmotiv besteht. Schleier aus flüchtig angedeuteten Rautengebilden, Ringen, Punkten und Häkchen gruppieren sich locker um diese Arrangements.
Von Hermann Julius Hermann , der sich bislang am ausführlichsten mit dem Buchschmuck des Cod. 438 befasst hat, wohl mangels erster Zierseite noch als “handwerksmäßige florentiner Arbeit des dritten Viertels des 15. Jahrhunderts” bezeichnet (Hermann 1932, 22 ). Die Charakteristika des gemalten und gezeichneten Initialdekors dieser Handschrift entsprechen jedoch ohne Zweifel jenem, der u.a. aus Cod. 23 bekannt ist (vgl. Beschreibung in Kat. #), und kann somit genauer der Werkstatt des Florentiner Künstlers Mariano del Buono (1433–1504) zugeordnet werden.
Da es sich bei Cod. 438 – wie bei den meisten der mit Bianchi girari-Dekor ausgestatteten Handschriften - um einen Text handelt, für den keine Miniaturen oder historisierten Initialen vorgesehen waren, musste Mariano del Buono über keine tiefergehende Textkenntnis verfügen, um diesen Codex adäquat dekorieren zu können. Im Hinblick auf den Herstellungsprozess bedeutet das, dass er sich mit Auftraggeber und Schreiber nicht über ein Bildprogramm verständigen musste: er konnte unabhängig vom Schreiber die Initialen mit Ornamentik versehen und in seiner eigenen Werkstatt arbeiten. So erklärt es sich, dass er durchaus Arbeiten unterschiedlicher Kopisten dekorierte - woraus ganz allgemein folgt, dass der Schreiber eines Codex keinen verlässlichen Rückschluss auf den für den Buchschmuck verantwortlichen Illuminator erlaubt. Die Angelpunkte stellten in diesem System vielmehr die Cartolai, die Buchhändler, dar, die immer mehrere Kopisten und Illuminatoren zur Hand hatten und diese in unterschiedlichen Besetzungen mit Aufträgen versahen; angesichts der großen Nachfrage mitunter auch im Voraus für den Verkauf im eigenen Buchladen. Von Vespasiano da Bisticci ist bekannt, dass er für Erzbischof Johannes Vitéz tätig war. Ob Cod. 438 ebenfalls auf seine Vermittlung zurückgeht, ist mangels entsprechender Einträge jedoch nicht gesichert (zu den Beziehungen des Erzbischofs zu Florenz siehe u.a. Földesi 2008, 14f. ).
Offenbar kaufte Johannes Vitéz bzw. sein Unterhändler mehrere, von verschiedenen Händen kopierte Bücher, die bei Mariano del Buono dekoriert worden waren, wie es etwa der Basilius Magnus-Band Cod. lat. 415 der OSZK (Országos Széchényi Könyvtár) in Budapest oder die 1469/70 datierbaren Bände einer Livius-Prachtausgabe in München nahelegen (BSB, Clm 15731 und 33; BSB, Clm 15731 entstand in Zusammenarbeit mit dem zw. 1449 und 1480 in Florenz dokumentierten Buchmaler Ser Ricciardo di Nanni - siehe auch Cod. 170, Kat. #).
Zum Kreis der in Marianos Werkstatt dekorierten ÖNB-Codices der ehemaligen Bibliotheca Corvina zählen drei weitere Bände - auch sie stammen aus verschiedenen Schreibstuben: Cod. 23 (Schreiber: Ser Agnolo di Jacopo de‘Dinuzi da San Gimignano ), Cod. 224 (Schreiber: Gabriel de Pistorio ) und Cod. Ser. n. 12758 (Schreiber: Giovanfrancesco Marzi da San Gimignano ) (Kat. #-#). Giovanfrancesco Marzi da San Gimignano war u.a. auch der Kopist des von Francesco di Antonio del Chierico ausgestatteten Cod. 22 der ÖNB (Kat. #), ferner des 1470 von einem unbekannten Florentiner Künstler für Johannes Vitéz dekorierten Cod. lat. 334 $$KK: 344? der OSZK (Országos Széchényi Könyvtár) sowie des undatierten Ms. 27 der Spencer Collection in der Public Library New York. Der letztgenannte Codex aus Giovanfrancesco’s Schreibwerkstatt ist von Mariano del Buono mit Buchschmuck versehen und für König Matthias angekauft worden (siehe auch Beschreibung Cod. Ser. n. 12758, Kat. #, dessen Dekoration sehr ähnlich zu jenem der New Yorker Ms. 27 aufgebaut ist und wahrscheinlich zur selben Zeit hergestellt wurde).
Angesichts des Stils und des Umstands, dass sich Cod. 438 eines noch unbekannten Schreibers zunächst im Besitz des Erzbischofs Johannes Vitéz befand, muss unser Codex - dem die einst wohl prachtvoll ausgestattete erste Seite (und damit wertvolle Information zur weiteren Bestimmung) leider fehlt - wie der Budapester Basilius Magnus und die Münchner Livius-Ausgabe gegen Ende der Sechzigerjahre des 15. Jahrhunderts, jedenfalls aber in den Jahren zwischen 1465 und 1471 in Auftrag gegeben worden sein.
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Beschreibung und Einordnung des BuchschmucksJede der vergoldeten, jeweils auf einer Seite gelb gehöhten Initialen ruht auf dunkelblauem Feld, das sich in seiner Form den Außenkonturen der die Initiale umwuchernden Weißranken anpasst. Zwickel und Zwischenräume, die sich durch die Überschneidungen der Rankenzweige ergeben, wurden zartgrün. rosa und blau ausgemalt und durch kleine weiße Dreipunktgruppen akzentuiert. Die Ranken selbst sind kräftig, weisen in regelmäßigen Abständen knopfartige Rundblättchen und Einkerbungen auf und enden in fleischigen Blättern in Herzform, Trifolien oder untersichtigen Blütenkelchen (der Fruchtknoten erscheint somit jeweils als Ring, der auf die sich verjüngende Ranke aufgesteckt ist). Kammartige, gekerbte Blattformen begrenzen die tendentiell quadratischen Außenfelder (siehe z.B. f. 25r, links). Die Plastizität der organisch aus Blattkelchen wachsenden Weißranken wurde durch zarte, ockerfarbene Lavierungen betont. An die Initial-Außenfelder setzt feiner Tintendekor an, der aus sich volutenförmig eindrehenden Einzelfäden mit Punktverdickung am Ende oder bewimperten Goldtropfen als Schlussmotiv besteht. Schleier aus flüchtig angedeuteten Rautengebilden, Ringen, Punkten und Häkchen gruppieren sich locker um diese Arrangements.
Von Hermann Julius Hermann , der sich bislang am ausführlichsten mit dem Buchschmuck des Cod. 438 befasst hat, wohl mangels erster Zierseite noch als “handwerksmäßige florentiner Arbeit des dritten Viertels des 15. Jahrhunderts” bezeichnet (Hermann 1932, 22 ). Die Charakteristika des gemalten und gezeichneten Initialdekors dieser Handschrift entsprechen jedoch ohne Zweifel jenem, der u.a. aus Cod. 23 bekannt ist (vgl. Beschreibung in Kat. #), und kann somit genauer der Werkstatt des Florentiner Künstlers Mariano del Buono (1433–1504) zugeordnet werden.
Da es sich bei Cod. 438 – wie bei den meisten der mit Bianchi girari-Dekor ausgestatteten Handschriften - um einen Text handelt, für den keine Miniaturen oder historisierten Initialen vorgesehen waren, musste Mariano del Buono über keine tiefergehende Textkenntnis verfügen, um diesen Codex adäquat dekorieren zu können. Im Hinblick auf den Herstellungsprozess bedeutet das, dass er sich mit Auftraggeber und Schreiber nicht über ein Bildprogramm verständigen musste: er konnte unabhängig vom Schreiber die Initialen mit Ornamentik versehen und in seiner eigenen Werkstatt arbeiten. So erklärt es sich, dass er durchaus Arbeiten unterschiedlicher Kopisten dekorierte - woraus ganz allgemein folgt, dass der Schreiber eines Codex keinen verlässlichen Rückschluss auf den für den Buchschmuck verantwortlichen Illuminator erlaubt. Die Angelpunkte stellten in diesem System vielmehr die Cartolai, die Buchhändler, dar, die immer mehrere Kopisten und Illuminatoren zur Hand hatten und diese in unterschiedlichen Besetzungen mit Aufträgen versahen; angesichts der großen Nachfrage mitunter auch im Voraus für den Verkauf im eigenen Buchladen. Von Vespasiano da Bisticci ist bekannt, dass er für Erzbischof Johannes Vitéz tätig war. Ob Cod. 438 ebenfalls auf seine Vermittlung zurückgeht, ist mangels entsprechender Einträge jedoch nicht gesichert (zu den Beziehungen des Erzbischofs zu Florenz siehe u.a. Földesi 2008, 14f. ).
Offenbar kaufte Johannes Vitéz bzw. sein Unterhändler mehrere, von verschiedenen Händen kopierte Bücher, die bei Mariano del Buono dekoriert worden waren, wie es etwa der Basilius Magnus-Band Cod. lat. 415 der OSZK (Országos Széchényi Könyvtár) in Budapest oder die 1469/70 datierbaren Bände einer Livius-Prachtausgabe in München nahelegen (BSB, Clm 15731 und 33; BSB, Clm 15731 entstand in Zusammenarbeit mit dem zw. 1449 und 1480 in Florenz dokumentierten Buchmaler Ser Ricciardo di Nanni - siehe auch Cod. 170, Kat. #).
Zum Kreis der in Marianos Werkstatt dekorierten ÖNB-Codices der ehemaligen Bibliotheca Corvina zählen drei weitere Bände - auch sie stammen aus verschiedenen Schreibstuben: Cod. 23 (Schreiber: Ser Agnolo di Jacopo de‘Dinuzi da San Gimignano ), Cod. 224 (Schreiber: Gabriel de Pistorio ) und Cod. Ser. n. 12758 (Schreiber: Giovanfrancesco Marzi da San Gimignano ) (Kat. #-#). Giovanfrancesco Marzi da San Gimignano war u.a. auch der Kopist des von Francesco di Antonio del Chierico ausgestatteten Cod. 22 der ÖNB (Kat. #), ferner des 1470 von einem unbekannten Florentiner Künstler für Johannes Vitéz dekorierten Cod. lat. 334 $$KK: 344? der OSZK (Országos Széchényi Könyvtár) sowie des undatierten Ms. 27 der Spencer Collection in der Public Library New York. Der letztgenannte Codex aus Giovanfrancesco’s Schreibwerkstatt ist von Mariano del Buono mit Buchschmuck versehen und für König Matthias angekauft worden (siehe auch Beschreibung Cod. Ser. n. 12758, Kat. #, dessen Dekoration sehr ähnlich zu jenem der New Yorker Ms. 27 aufgebaut ist und wahrscheinlich zur selben Zeit hergestellt wurde).
Angesichts des Stils und des Umstands, dass sich Cod. 438 eines noch unbekannten Schreibers zunächst im Besitz des Erzbischofs Johannes Vitéz befand, muss unser Codex - dem die einst wohl prachtvoll ausgestattete erste Seite (und damit wertvolle Information zur weiteren Bestimmung) leider fehlt - wie der Budapester Basilius Magnus und die Münchner Livius-Ausgabe gegen Ende der Sechzigerjahre des 15. Jahrhunderts, jedenfalls aber in den Jahren zwischen 1465 und 1471 in Auftrag gegeben worden sein.
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Die Wiener Corvinen. Beschreibung von Wien, ÖNB, Cod. 438. Version 0.1, 8.5.2025. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/fedora/objects/o:crv.cod-438/methods/sdef:TEI/get
Verantwortlich für die BeschreibungIvana Dobcheva (Kodikologie), Katharina Kaska (Kodikologie), Marianne Rozsondai (Einband), Friedrich Simader (Geschichte), Maria Theisen (Buchschmuck), Edina Zsupán (Texterschließung, Literaturerfassung)
LizenzhinweisDie Beschreibung der Handschriften sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
LinksDas Bildmaterial dieser Webseite sind Reproduktionen aus der Sammlung von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek.