Cod. 133
APIAN, BELLA CIVILIA

Perg. II+104+II Bl. 268×180.
Text: Florenz, um 1470
Buchschmuck: Florenz, um 1470

Beschreibstoff

Pergament italienischer Bearbeitung. Haar- und Fleischseiten gut unterscheidbar. — Der untere Teil des ersten Blattes herausgeschnitten, starke Schmutzflecken und Wurmfraß auf den ersten und letzten Blättern. Das Pergament des gesamten Buchblocks wellt sich. Auf fol. 79v–80r Schrift teilweise beschädigt. — Der Codex ist überwiegend aus regelmäßigen Quinionen zusammengestellt. Lagenformel: III + 10.V100 + (V-3)104 + III*. Bei der Restaurierung des Einbandes wurden neue Pergamentdoppelblätter als fliegende Blätter vorne und hinten voraus- bzw. nachgebunden. Die Blätter in den Lagen sind FH HF angeordnet. Es fehlen ein Quinio zwischen fol. 70 und fol. 71, sowie die drei innersten Doppelblätter der letzten Lage zwischen fol. 102 und fol. 103 (vgl. zeitgenössische Foliierung und Textverlust). Reklamanten auf der letzten Lagenseiten unten rechts vertikal von der Texthand geschrieben. — Zeitgenössische Foliierung I–CXX, springt von LXX (fol. 70) auf LXXXI (fol. 71), sowie von CXII (fol. 102) auf CXVIII (fol. 103), Textverlust. Neuzeitliche durchgehende Bleistiftfoliierung 1–104. Die fliegenden Blätter im Rahmen des Projektes neu foliiert (I–II und I*–II*).

Schrift

173×101 mm, 1 Spalte zu 29 Zeilen. Tintenlinierung: Schriftspiegelrahmung durch doppelte bis zum Seitenrand gezogene Vertikallinien (Abstand 6 mm); die Zeilenlinierung zwischen den inneren vertikalen Begrenzungen gezogen (Derolez Typ 31; Muzerelle, Mastara, formula 2-2/0/0/J). Zwei Einstichlöcher am Innenrand, ein Einstichloch am Außenrand unten. Vertikale Begrenzungen beginnen auf Recto häufig unter dem oberen Blattrand und enden auf Verso vor dem unteren Blattrand, was auf eine Linierung mittels Rostrum hindeutet (nach Derolez rake ruling lead/ink). Der Text beginnt unter der obersten Horizontallinie. Seitenüberschriften mit Buchangaben am Oberrand in Rot, wohl von der Texthand - L[iber] auf der jeweiligen Verso- und die Buchnummer in römischen Zahlen auf der jeweiligen Recto-Seite. — Humanistica Cursiva von Niccolò Fonzio (De la Mare 1985, 516, Nr. 49:39, “Early cursive”; Niccolò ist als Schreiber zwischen ca. 1465 und ca. 1503 nachweisbar, vgl. De la Mare 1985, 460–461. Bei Csapodi-Gárdonyi 1979 dem Schreiber Pietro Cennini zugeschrieben, irrtümlich laut De la Mare 1985, 529, Nr. 60.) Weitere Corvinen von Niccolò Fonzios Hand: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.73.4; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.theol.et.phil.fol.152. — Marginale Textverweise in Rot, Nota-Vermerke (fol. 76v, 92v), vereinzelte Korrekturen bzw. Ergänzungen von der Texthand. Bisweilen Randglossen in hellbrauner Tinte von einer Benutzerhand des späten 15. / frühen 16. Jhs. (?) (fol. 1v, 2r–v, 3v, 5v, 6r–v, 7r) sowie Vermerke und Textunterstreichungen in dunkler Tinte von einer Hand des 16. Jhs., vgl. Besitzereintrag auf fol. 104r: 1556 (fol. 19r, 21r–v, 31v, 72r, 73v, 74r–77r, 80r–v, 81r–v, 82r [?], 83r–v, 84v). Besitzeinträge auf fol. 104v (s. Provenienz).

Ausstattung

Rubriziert. Capitalis Rustica als Auszeichnungsschrift. Die Anfangsseite des Textes ist zu zwei Seiten von einer schmalen Bianchi girari-Bordüre eingefasst, eine fünfzeilige Initiale mit vergoldetem Buchstabenkörper auf Bianchi girari-Grund (fol. 1r). Das Bas-de-page, welches sehr wahrscheinlich ein verziertes Besitzerwappen enthielt, wurde zu unbekannter Zeit abgeschnitten. Kein weiterer Buchschmuck.

1r

Zierseite mit Bianchi girari-Bordüren oben und an der linken Seite des Textblocks. Die Verzierung der einleitenden Initiale geht unmittelbar in jene der Bordüre über.

S[enatus]-Initiale, 5-zeilig, vergoldet, Bianchi girari.

Einband

284×186×31 mm. Der originale vergoldete Corvineneinband wurde im Rahmen von Restauriermaßnahmen auf einen neuen Lederbezug aufgebracht und ist infolgedessen verflacht. Die Verzierung des Einbandes ist sonst die gewöhnliche. VD und HD sind gleich, am HD oben ist die Aufschrift in goldenen Majuskeln zu lesen: CA[N]DID[US] DE CIVILIB[US] BELLIS R. An den Rändern der zwei Deckel reihen sich vergoldete Doppelkreisplättchen, von denen sieben in den Mitten der Seiten gruppiert sind. Der zweite Rahmen ist mit blindgedrucktem Flechtwerk aus gekerbten winzigen Stempeln (Stäbchen) verziert, dazwischen farbige Kreispunzen, der Rahmen ist an den Schmalseiten wesentlich breiter. Das Mittelfeld ist von einer Reihe vergoldeter Tulpen umrahmt. Dieser Rahmen ist innen von einer Reihe von Kreisplättchen flankiert. Im Zentrum steht ein orientalisierendes Mittelstück, das von zwei aus farbigen Doppelkreisplättchen bestehenden Rahmen begrenzt ist und das königliche Wappen von Matthias mit Krone trägt. Ringsum und in den Eckzwickeln des Mittelfeldes sind die bekannten Corvinischen Einzelstempel (kaum erkennbar). Spuren von vier Verschlussbändern. Am Rücken vier Doppelbünde, die Rückenfelder sind mit Diagonallinien gegliedert und mit Rosetten gefüllt. Goldschnitt. Die Heftung und das Kapital sind neu.

Einband für König Matthias Corvinus in Buda, vom Corvinenmeister zwischen etwa 1485–1490.

Geschichte

Die Handschrift wurde von Niccolò di Giampiero di Matteo Fonzio, dem Bruder des Humanisten Bartolomeo Fonzio, geschrieben . — Sie wurde anschließend, wie der Einband mit dem Wappen des Matthias Corvinus am Vorderdeckel zeigt, für den ungarischen König gebunden. Wann und wie sie später nach Wien gekommen ist, ist unbekannt. Ein unbestimmter Benützer, von dem vermutlich auch Randvermerke auf fol. 73r, 74r, 74v-77r und 80v stammen, hat sich im Jahr 1556 auf fol. 104v mit der Devise ‚Magna virtus magna vis omnipotentis dei creatoris nostri 1556‘ verewigt. Darunter befindet sich ein 1763 datierter Eintrag des Jesuiten und Historikers Georg Pray zur vermuteten Herkunft des Codex aus Buda. — Die Handschrift kam nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 aus dem Wiener Kollegium in die Hofbibliothek und erhielt dort die Signatur ‚Rec. 945‘.

Literatur

Tabulae codicum, I, 19. — Hoffmann/Wehli 1929/1992, 98, 9. — Hermann 1932, 47, Nr. 40. — Unterkircher 1957, 7. — Mazal 1964, 356. — Csapodi 1973, 133, Nr. 48. — Bibliotheca Hungarica 1988–1994, I, 39, Nr. 45. — Bibliotheca Corviniana 1990, 62, Nr. 171. — Matthias Corvinus 1994, 53, Kat. 13 (Ernst Gamillscheg). — Madas 2009, 49, Nr. 7.

Inhalt

1 (1r–104v) Appianus: Bella civilia, übersetzt von Pier Candido Decembrio (Venedig 1472 (GW 02293), Venedig 1477 (GW 02290), Venedig 1500 (GW 02291), 1494 (GW 02294).).

(1r–51v) Liber I. Tit.: P. Candidi de civilibus Romanorum bellis ex Appiano Alexandrino traductis in Latinusm liber primus incipit Inc.: Senatus populusque Romanus mutuis sepenumero ... — Expl.: ... annum circa sexagesimum civilium bellorum maxime a Tiberii Gracchi interitu. Finis primi libri de civilibus Romanorum bellis.

(51v–104v) Liber II. Tit.: P. Candidi de civilibus Romanorum bellis ex Appiano Alexandrino traductis in Latinum liber secundus incipit Inc.: Post Sylle monarchiam et quecunque a Sertorio ... — Expl.: ... in sequentibus referemus libris. Finis secundi libti de civilibus Romanorum bellis. Deo Laus.

Beschreibung und Einordnung des Buchschmucks

Der Codex wurde nur auf der ersten Seite mit Buchschmuck versehen. Die sich hier um eine große vergoldete „S“-Initiale windenden Weißranken gehen unmittelbar in die Rankenbordüre des linken Seitenrandes über. Die Bianchi girari liegen auf blauem Grund, die Zwischenräume wurden mit sehr hellem Rosa und Grün sowie der Grundfarbe Blau bemalt und locker mit Gruppierungen von weißen Punkten übersät. Ihre zarten Zweige bilden mandel- und herzförmige Blättchen, in der linken Bordüre, unterhalb des Buchstabenfelds, sind zudem die Konturen einer Zitrusfrucht zu erkennen. Am Ende der Bordüre des oberen und linken Seitenrandes teilt sich der Rankenzweig jeweils in zwei gegenständig ausschwingende Blätter und bringt mittig eine größere, von unten gesehene Blattknospe hervor. Diese wurde zusätzlich mit Goldtropfen mit Härchen-Besatz und daran angefügten, sich eindrehenden Fäden verziert. Der untere Seitenrand zeigte ursprünglich wohl, wie auch Hermann Julius Hermann bereits in seinem Katalog der italienischen Handschriften vermutete, ein dekoratives Ranken-Arrangement mit Wappen des Vorbesitzers – wahrscheinlich jenes des Matthias Corvinus (Hermann 1932, Teil 3, 47). Dieses wurde hier zu einem unbekannten Zeitpunkt ausgeschnitten, dürfte aber sehr ähnlich wie jenes in Cod. 826, fol. 1r, ausgesehen haben. Cod. 133 wurde in derselben Werkstatt illuminiert. Mit Blick auf das Werk des Florentiner Künstlers Francesco d’Antonio del Chierico (1433–1484), von dem die ÖNB zahlreiche Werke besitzt (vgl. u.a. Cod. 22 aus dem Besitz des Königs Matthias Corvinus), kann diese kleinere, etwas weniger präzise gemalte Arbeit sicherlich dessen unmittelbarem Umfeld zugeschrieben und in die späteren 1460er Jahre bzw. etwa um 1470 datiert werden. Für diese Datierung stehen beispielhaft Cod. lat. 418 aus der Budapester Nationalbibliothek, den György Handó in der zweiten Hälfte der 1460er Jahre bei Vespasiano da Bisticci gekauft hatte, oder auch der mit 1467 datierte Codex aus der Bibliothek der Diözese Györ, Armadio L, N° 1, zum Vergleich (zu diesen Codices s. Zsupán 2018, 190 [H3] und 194 [H5], „Az ország díszére” 2020, 365–367, Kat. H3 (Edina Zsupán); 372–375, Kat. H5 (Dániel Pócs)).

Textüberlieferung

Der Mailänder Humanist Pier Candido Decembrio (1399–1477) wurde von Papst Nikolaus V. Anfang 1450 damit beauftragt, die derzeit bekannten Teile des historischen Werkes von Appian (Rhomaika – Historia Romana) aus dem Griechischen ins Lateinische zu übersetzen (Liber Libycus, Liber Syrius, Liber Parthicus [pseudo-appianisch], Liber Mithridaticus, die fünf Bücher der Bella civilia, der Liber Illyricus und der Liber Celticus). Die Arbeit dauerte mehr als vier Jahre. Die Übersetzungen der Bella civilia, des Liber Illyricus und des Liber Celticus wurden nach Papst Nikolaus’ Tod an König Alfonso d’Aragona von Neapel umgewidmet (DBI, s. v. Pier Candido Decembrio; Massimo Zaggia 1993, 203).

Der Wiener Codex 133 enthält nur die ersten zwei Bücher der Bella civilia und vermisst die Widmung an den Papst oder an König Alfonso und die inhaltlichen Zusammenfassungen der Einzelbücher, die in den meisten Codices und Editionen dem Text vorangestellt sind (zur Bedeutung der An- oder Abwesenheit der Widmungen s. Zaggia 1993, 203, Anm. 33; 205, Anm. 41–43).

In der Texttradition der Appian-Übersetzungen von Decembrio ist es nicht unbekannt, dass die elf Bücher getrennt überliefert werden. Die Tradition lässt sich grundsätzlich in zwei Zweige unterteilen: manche Handschriften enthalten nur die Bücher Libycus, Syrius, Parthicus und Mithridaticus, während andere nur die fünf Bücher der Bella civilia und die Bücher Illyricus und Celticus überliefern.

Es gibt zudem auch andere Zusammenstellungen und kleinere Gruppierungen. Der florentinische Codex der Biblioteca Medicea Laurenziana (Plut.88.21) enthält z. B. nur den Liber Libycus, während Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.70.33 nur das dritte Buch der Bella civilia enthält. Ähnlich wie der Wiener Cod. 133 beinhaltet Plut.68.20 die ersten zwei Bücher des Bürgerkrieges, aber dieser Codex ist nicht vollendet: der Text des zweiten Buches bricht ab, die Ausstattung fehlt (Zaggia 1993, 222, Nr. 13). Im Codex BnF, Latin 5785 befinden sich nur die ersten zwei Bücher der Bella civilia neben den anderen Büchern (Zaggia 1993, 227, Nr. 26). In einem weiteren Pariser Exemplar (BnF, Latin 5788) ist nur das erste Buch der Bella civilia zu finden (Zaggia 1993, 228, Nr. 28). Nach Zaggias Meinung kann diese inhaltliche Vielfalt mit der Weise zusammenhängen, mit der Decembrio selbst seine Appian-Übersetzung populär machte: Decembrio publizierte immer sofort, nachdem er mit einem Buch fertig war (Zaggia 1993, 205).

Möglicherweise spiegelt der Inhalt des Cod 133 einen solchen Zwischenstand wieder. Dafür spricht auch die Formel im Kolophon Deo laus, die eine Zwischenbeendigung suggeriert. (Auch in einem florentinischen Codex befindet sich ein Deo laus am Ende des dritten Buches der Bella civilia, obwohl die Handschrift das ganze Appian-Oeuvre enthält; Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.89 inf.4, fol. 225v).

Im Gegensatz zu Cod. 133 enthält die andere Appian-Corvine (Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.68.19) die Bücher Libycus, Syrius, Parthicus und Mithridaticus (s. auch Offene Fragen zur Provenienz).

Die Editio princeps der Bella civilia in Decembrios Übersetzung erschien 1472 in Venedig bei Vindelinus de Spira (GW 2293; ISTC ia00931000).

Die Editio Princeps der anderen Bücher zusammen mit der Bella civilia erschien 1477 in Venedig bei Erhard Ratdolt und Peter Löslein (vgl. DBI, s. v. Pier Candido Decembrio).

Offene Fragen zur Provenienz

Die Handschrift entstand um 1470 in Florenz und wurde von Niccolò Fonzio geschrieben (De la Mare 1985, 516, Nr. 49:39). Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Codex aus Florenz nach Ungarn gelangt sein könnte. Es handelt sich entweder um einen Ankauf für die Bibliothek eines Ungarischen Prälaten – z.B.György Handó, Johannes Vitéz de Zredna oder Janus Pannonius – aus dem Geschäft des Vespasiano Bisticci um 1470, oder um eine auf die späten 1480er Jahre datierbare Erwerbung für die Bibliotheca Corvina. Für die letztere Option spricht die Person des Schreibers, Niccolò Fonzio. Er war der Bruder des Humanisten Bartolomeo Fonzio, der eine Schlüsselrolle in der Ausformung des Bestandes der Bibliotheca Corvina in den späten 1480er Jahren spielte. Niccolò Fonzio besichtigte im Jahre 1489 sogar den Budaer königlichen Hof und wurde von König Matthias beauftragt, die inhaltliche Erweiterung der königlichen Bibliothek von Florenz aus zu koordinieren. Niccolò Fonzio arbeitete von Anfang an eng mit seinem Bruder, der gelegentlich auch als Schreiber wirkte, zusammen. Als Bartolomeo der Bibliothekar des Bankiers Francesco Sassetti war, kopierte Niccolò zahlreiche Handschriften für die Sassetti-Bibliothek, in denen die Marginalien, die den Inhalt markierten, von Bartolomeo stammen (vgl. Scipioni 2021, 13; zur Sassetti-Bibliothek zusammenfassend s. De la Mare 1976a). Es ist aber auch möglich, dass die Appian-Handschrift durch Bartolomeo Fonzio in den späten 1480er Jahren in die königliche Bibliothek in Buda gelangte. Dies umso mehr, als auch eine weitere Appian-Handschrift mit Pier Candido Decembrios Übersetzung für Matthias Corvinus bei Attavante degli Attavanti in den späten 1480er Jahren bestellt wurde. Sie ergänzt inhaltlich den Wiener Cod. 133 (liber Lybicus, Syrius, Parthicus, Mithridaticus) (Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.68.19). Die Anschaffung eines bedeutenden Teiles des Appian-Oeuvre war daher möglicherweise ein Ergebnis der Koordinationsarbeit von Bartolomeo Fonzio für die Bibliotheca Corvina.

Aus der Bibliotheca Corvina sind auch zwei andere Handschriften bekannt, die von Niccolò Fonzio kopiert und von Bartolomeo annotiert wurden: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.73.4 (Celsus) und Modena, Biblioteca Estense Universitaria, Lat. 472 = alfa.X.1.10 (Strabo, frühere Sassetti-Handschrift, das Sassetti-Wappen ist von dem des Matthias übermalt). Die Augustinus-Corvine mit den Enarrationes in Psalmos I–LVI, stammt ebenso von Niccolòs Hand (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.theol.et.phil.fol.152).

Auch die erste Option (Ankauf durch ungarische Prälaten um 1470) kann mit Bartolomeos Person und dessen Freundeskreis verbunden werden. Forschungen haben darauf hingewiesen, dass sowohl bei den florentinischen Bucherwerbungen für Johannes Vitéz de Zredna, als auch bei dem großen Codexankauf für György Handó im Jahre 1469 der ungarische Humanist Péter Garázda eine wichtige Vermittlungsrolle spielte. Er hielt sich zu dieser Zeit für Studien in Florenz auf und war Mitglied dieses Freundeskreises. Die humanistischen Handschriften, die damals nach Ungarn – einige davon später in die Bibliotheca Corvina – gelangten, haben zahlreiche Merkmale, die auf die Mitglieder des erwähnten Freundeskreises hinweisen. Alle Mitglieder, nicht nur die Gebrüder Fonzio, beteiligten sich an Handschriften: die meisten wurden von Piero Cennini (c. 1445–1484) abgeschrieben, eine Abschrift von Nastagio Vespucci (1426–1482) ist in der Bibliotheca Corvina erhalten geblieben und wurde von Piero Cennini korrigiert (Wien, ÖNB, Cod. 140). (Zur Handschriftenproduktion dieses Kreises, sowie zu seinen Verbindungen zu Ungarn und besonders zu Péter Garázda vgl. Cod. 224, Offene Fragen zur Provenienz.)

Cod. 133
APIAN, BELLA CIVILIA

Perg. II+104+II Bl. 268×180.
Text: Florenz, um 1470
Buchschmuck: Florenz, um 1470

Beschreibstoff

Pergament italienischer Bearbeitung. Haar- und Fleischseiten gut unterscheidbar. — Der untere Teil des ersten Blattes herausgeschnitten, starke Schmutzflecken und Wurmfraß auf den ersten und letzten Blättern. Das Pergament des gesamten Buchblocks wellt sich. Auf fol. 79v–80r Schrift teilweise beschädigt. — Der Codex ist überwiegend aus regelmäßigen Quinionen zusammengestellt. Lagenformel: III + 10.V100 + (V-3)104 + III*. Bei der Restaurierung des Einbandes wurden neue Pergamentdoppelblätter als fliegende Blätter vorne und hinten voraus- bzw. nachgebunden. Die Blätter in den Lagen sind FH HF angeordnet. Es fehlen ein Quinio zwischen fol. 70 und fol. 71, sowie die drei innersten Doppelblätter der letzten Lage zwischen fol. 102 und fol. 103 (vgl. zeitgenössische Foliierung und Textverlust). Reklamanten auf der letzten Lagenseiten unten rechts vertikal von der Texthand geschrieben. — Zeitgenössische Foliierung I–CXX, springt von LXX (fol. 70) auf LXXXI (fol. 71), sowie von CXII (fol. 102) auf CXVIII (fol. 103), Textverlust. Neuzeitliche durchgehende Bleistiftfoliierung 1–104. Die fliegenden Blätter im Rahmen des Projektes neu foliiert (I–II und I*–II*).

Schrift

173×101 mm, 1 Spalte zu 29 Zeilen. Tintenlinierung: Schriftspiegelrahmung durch doppelte bis zum Seitenrand gezogene Vertikallinien (Abstand 6 mm); die Zeilenlinierung zwischen den inneren vertikalen Begrenzungen gezogen (Derolez Typ 31; Muzerelle, Mastara, formula 2-2/0/0/J). Zwei Einstichlöcher am Innenrand, ein Einstichloch am Außenrand unten. Vertikale Begrenzungen beginnen auf Recto häufig unter dem oberen Blattrand und enden auf Verso vor dem unteren Blattrand, was auf eine Linierung mittels Rostrum hindeutet (nach Derolez rake ruling lead/ink). Der Text beginnt unter der obersten Horizontallinie. Seitenüberschriften mit Buchangaben am Oberrand in Rot, wohl von der Texthand - L[iber] auf der jeweiligen Verso- und die Buchnummer in römischen Zahlen auf der jeweiligen Recto-Seite. — Humanistica Cursiva von Niccolò Fonzio (De la Mare 1985, 516, Nr. 49:39, “Early cursive”; Niccolò ist als Schreiber zwischen ca. 1465 und ca. 1503 nachweisbar, vgl. De la Mare 1985, 460–461. Bei Csapodi-Gárdonyi 1979 dem Schreiber Pietro Cennini zugeschrieben, irrtümlich laut De la Mare 1985, 529, Nr. 60.) Weitere Corvinen von Niccolò Fonzios Hand: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.73.4; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.theol.et.phil.fol.152. — Marginale Textverweise in Rot, Nota-Vermerke (fol. 76v, 92v), vereinzelte Korrekturen bzw. Ergänzungen von der Texthand. Bisweilen Randglossen in hellbrauner Tinte von einer Benutzerhand des späten 15. / frühen 16. Jhs. (?) (fol. 1v, 2r–v, 3v, 5v, 6r–v, 7r) sowie Vermerke und Textunterstreichungen in dunkler Tinte von einer Hand des 16. Jhs., vgl. Besitzereintrag auf fol. 104r: 1556 (fol. 19r, 21r–v, 31v, 72r, 73v, 74r–77r, 80r–v, 81r–v, 82r [?], 83r–v, 84v). Besitzeinträge auf fol. 104v (s. Provenienz).

Ausstattung

Rubriziert. Capitalis Rustica als Auszeichnungsschrift. Die Anfangsseite des Textes ist zu zwei Seiten von einer schmalen Bianchi girari-Bordüre eingefasst, eine fünfzeilige Initiale mit vergoldetem Buchstabenkörper auf Bianchi girari-Grund (fol. 1r). Das Bas-de-page, welches sehr wahrscheinlich ein verziertes Besitzerwappen enthielt, wurde zu unbekannter Zeit abgeschnitten. Kein weiterer Buchschmuck.

1r

Zierseite mit Bianchi girari-Bordüren oben und an der linken Seite des Textblocks. Die Verzierung der einleitenden Initiale geht unmittelbar in jene der Bordüre über.

S[enatus]-Initiale, 5-zeilig, vergoldet, Bianchi girari.

Einband

284×186×31 mm. Der originale vergoldete Corvineneinband wurde im Rahmen von Restauriermaßnahmen auf einen neuen Lederbezug aufgebracht und ist infolgedessen verflacht. Die Verzierung des Einbandes ist sonst die gewöhnliche. VD und HD sind gleich, am HD oben ist die Aufschrift in goldenen Majuskeln zu lesen: CA[N]DID[US] DE CIVILIB[US] BELLIS R. An den Rändern der zwei Deckel reihen sich vergoldete Doppelkreisplättchen, von denen sieben in den Mitten der Seiten gruppiert sind. Der zweite Rahmen ist mit blindgedrucktem Flechtwerk aus gekerbten winzigen Stempeln (Stäbchen) verziert, dazwischen farbige Kreispunzen, der Rahmen ist an den Schmalseiten wesentlich breiter. Das Mittelfeld ist von einer Reihe vergoldeter Tulpen umrahmt. Dieser Rahmen ist innen von einer Reihe von Kreisplättchen flankiert. Im Zentrum steht ein orientalisierendes Mittelstück, das von zwei aus farbigen Doppelkreisplättchen bestehenden Rahmen begrenzt ist und das königliche Wappen von Matthias mit Krone trägt. Ringsum und in den Eckzwickeln des Mittelfeldes sind die bekannten Corvinischen Einzelstempel (kaum erkennbar). Spuren von vier Verschlussbändern. Am Rücken vier Doppelbünde, die Rückenfelder sind mit Diagonallinien gegliedert und mit Rosetten gefüllt. Goldschnitt. Die Heftung und das Kapital sind neu.

Einband für König Matthias Corvinus in Buda, vom Corvinenmeister zwischen etwa 1485–1490.

Geschichte

Die Handschrift wurde von Niccolò di Giampiero di Matteo Fonzio, dem Bruder des Humanisten Bartolomeo Fonzio, geschrieben . — Sie wurde anschließend, wie der Einband mit dem Wappen des Matthias Corvinus am Vorderdeckel zeigt, für den ungarischen König gebunden. Wann und wie sie später nach Wien gekommen ist, ist unbekannt. Ein unbestimmter Benützer, von dem vermutlich auch Randvermerke auf fol. 73r, 74r, 74v-77r und 80v stammen, hat sich im Jahr 1556 auf fol. 104v mit der Devise ‚Magna virtus magna vis omnipotentis dei creatoris nostri 1556‘ verewigt. Darunter befindet sich ein 1763 datierter Eintrag des Jesuiten und Historikers Georg Pray zur vermuteten Herkunft des Codex aus Buda. — Die Handschrift kam nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 aus dem Wiener Kollegium in die Hofbibliothek und erhielt dort die Signatur ‚Rec. 945‘.

Literatur

Tabulae codicum, I, 19. — Hoffmann/Wehli 1929/1992, 98, 9. — Hermann 1932, 47, Nr. 40. — Unterkircher 1957, 7. — Mazal 1964, 356. — Csapodi 1973, 133, Nr. 48. — Bibliotheca Hungarica 1988–1994, I, 39, Nr. 45. — Bibliotheca Corviniana 1990, 62, Nr. 171. — Matthias Corvinus 1994, 53, Kat. 13 (Ernst Gamillscheg). — Madas 2009, 49, Nr. 7.

Inhalt

1 (1r–104v) Appianus: Bella civilia, übersetzt von Pier Candido Decembrio (Venedig 1472 (GW 02293), Venedig 1477 (GW 02290), Venedig 1500 (GW 02291), 1494 (GW 02294).).

(1r–51v) Liber I. Tit.: P. Candidi de civilibus Romanorum bellis ex Appiano Alexandrino traductis in Latinusm liber primus incipit Inc.: Senatus populusque Romanus mutuis sepenumero ... — Expl.: ... annum circa sexagesimum civilium bellorum maxime a Tiberii Gracchi interitu. Finis primi libri de civilibus Romanorum bellis.

(51v–104v) Liber II. Tit.: P. Candidi de civilibus Romanorum bellis ex Appiano Alexandrino traductis in Latinum liber secundus incipit Inc.: Post Sylle monarchiam et quecunque a Sertorio ... — Expl.: ... in sequentibus referemus libris. Finis secundi libti de civilibus Romanorum bellis. Deo Laus.

Beschreibung und Einordnung des Buchschmucks

Der Codex wurde nur auf der ersten Seite mit Buchschmuck versehen. Die sich hier um eine große vergoldete „S“-Initiale windenden Weißranken gehen unmittelbar in die Rankenbordüre des linken Seitenrandes über. Die Bianchi girari liegen auf blauem Grund, die Zwischenräume wurden mit sehr hellem Rosa und Grün sowie der Grundfarbe Blau bemalt und locker mit Gruppierungen von weißen Punkten übersät. Ihre zarten Zweige bilden mandel- und herzförmige Blättchen, in der linken Bordüre, unterhalb des Buchstabenfelds, sind zudem die Konturen einer Zitrusfrucht zu erkennen. Am Ende der Bordüre des oberen und linken Seitenrandes teilt sich der Rankenzweig jeweils in zwei gegenständig ausschwingende Blätter und bringt mittig eine größere, von unten gesehene Blattknospe hervor. Diese wurde zusätzlich mit Goldtropfen mit Härchen-Besatz und daran angefügten, sich eindrehenden Fäden verziert. Der untere Seitenrand zeigte ursprünglich wohl, wie auch Hermann Julius Hermann bereits in seinem Katalog der italienischen Handschriften vermutete, ein dekoratives Ranken-Arrangement mit Wappen des Vorbesitzers – wahrscheinlich jenes des Matthias Corvinus (Hermann 1932, Teil 3, 47). Dieses wurde hier zu einem unbekannten Zeitpunkt ausgeschnitten, dürfte aber sehr ähnlich wie jenes in Cod. 826, fol. 1r, ausgesehen haben. Cod. 133 wurde in derselben Werkstatt illuminiert. Mit Blick auf das Werk des Florentiner Künstlers Francesco d’Antonio del Chierico (1433–1484), von dem die ÖNB zahlreiche Werke besitzt (vgl. u.a. Cod. 22 aus dem Besitz des Königs Matthias Corvinus), kann diese kleinere, etwas weniger präzise gemalte Arbeit sicherlich dessen unmittelbarem Umfeld zugeschrieben und in die späteren 1460er Jahre bzw. etwa um 1470 datiert werden. Für diese Datierung stehen beispielhaft Cod. lat. 418 aus der Budapester Nationalbibliothek, den György Handó in der zweiten Hälfte der 1460er Jahre bei Vespasiano da Bisticci gekauft hatte, oder auch der mit 1467 datierte Codex aus der Bibliothek der Diözese Györ, Armadio L, N° 1, zum Vergleich (zu diesen Codices s. Zsupán 2018, 190 [H3] und 194 [H5], „Az ország díszére” 2020, 365–367, Kat. H3 (Edina Zsupán); 372–375, Kat. H5 (Dániel Pócs)).

Textüberlieferung

Der Mailänder Humanist Pier Candido Decembrio (1399–1477) wurde von Papst Nikolaus V. Anfang 1450 damit beauftragt, die derzeit bekannten Teile des historischen Werkes von Appian (Rhomaika – Historia Romana) aus dem Griechischen ins Lateinische zu übersetzen (Liber Libycus, Liber Syrius, Liber Parthicus [pseudo-appianisch], Liber Mithridaticus, die fünf Bücher der Bella civilia, der Liber Illyricus und der Liber Celticus). Die Arbeit dauerte mehr als vier Jahre. Die Übersetzungen der Bella civilia, des Liber Illyricus und des Liber Celticus wurden nach Papst Nikolaus’ Tod an König Alfonso d’Aragona von Neapel umgewidmet (DBI, s. v. Pier Candido Decembrio; Massimo Zaggia 1993, 203).

Der Wiener Codex 133 enthält nur die ersten zwei Bücher der Bella civilia und vermisst die Widmung an den Papst oder an König Alfonso und die inhaltlichen Zusammenfassungen der Einzelbücher, die in den meisten Codices und Editionen dem Text vorangestellt sind (zur Bedeutung der An- oder Abwesenheit der Widmungen s. Zaggia 1993, 203, Anm. 33; 205, Anm. 41–43).

In der Texttradition der Appian-Übersetzungen von Decembrio ist es nicht unbekannt, dass die elf Bücher getrennt überliefert werden. Die Tradition lässt sich grundsätzlich in zwei Zweige unterteilen: manche Handschriften enthalten nur die Bücher Libycus, Syrius, Parthicus und Mithridaticus, während andere nur die fünf Bücher der Bella civilia und die Bücher Illyricus und Celticus überliefern.

Es gibt zudem auch andere Zusammenstellungen und kleinere Gruppierungen. Der florentinische Codex der Biblioteca Medicea Laurenziana (Plut.88.21) enthält z. B. nur den Liber Libycus, während Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.70.33 nur das dritte Buch der Bella civilia enthält. Ähnlich wie der Wiener Cod. 133 beinhaltet Plut.68.20 die ersten zwei Bücher des Bürgerkrieges, aber dieser Codex ist nicht vollendet: der Text des zweiten Buches bricht ab, die Ausstattung fehlt (Zaggia 1993, 222, Nr. 13). Im Codex BnF, Latin 5785 befinden sich nur die ersten zwei Bücher der Bella civilia neben den anderen Büchern (Zaggia 1993, 227, Nr. 26). In einem weiteren Pariser Exemplar (BnF, Latin 5788) ist nur das erste Buch der Bella civilia zu finden (Zaggia 1993, 228, Nr. 28). Nach Zaggias Meinung kann diese inhaltliche Vielfalt mit der Weise zusammenhängen, mit der Decembrio selbst seine Appian-Übersetzung populär machte: Decembrio publizierte immer sofort, nachdem er mit einem Buch fertig war (Zaggia 1993, 205).

Möglicherweise spiegelt der Inhalt des Cod 133 einen solchen Zwischenstand wieder. Dafür spricht auch die Formel im Kolophon Deo laus, die eine Zwischenbeendigung suggeriert. (Auch in einem florentinischen Codex befindet sich ein Deo laus am Ende des dritten Buches der Bella civilia, obwohl die Handschrift das ganze Appian-Oeuvre enthält; Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.89 inf.4, fol. 225v).

Im Gegensatz zu Cod. 133 enthält die andere Appian-Corvine (Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.68.19) die Bücher Libycus, Syrius, Parthicus und Mithridaticus (s. auch Offene Fragen zur Provenienz).

Die Editio princeps der Bella civilia in Decembrios Übersetzung erschien 1472 in Venedig bei Vindelinus de Spira (GW 2293; ISTC ia00931000).

Die Editio Princeps der anderen Bücher zusammen mit der Bella civilia erschien 1477 in Venedig bei Erhard Ratdolt und Peter Löslein (vgl. DBI, s. v. Pier Candido Decembrio).

Offene Fragen zur Provenienz

Die Handschrift entstand um 1470 in Florenz und wurde von Niccolò Fonzio geschrieben (De la Mare 1985, 516, Nr. 49:39). Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Codex aus Florenz nach Ungarn gelangt sein könnte. Es handelt sich entweder um einen Ankauf für die Bibliothek eines Ungarischen Prälaten – z.B.György Handó, Johannes Vitéz de Zredna oder Janus Pannonius – aus dem Geschäft des Vespasiano Bisticci um 1470, oder um eine auf die späten 1480er Jahre datierbare Erwerbung für die Bibliotheca Corvina. Für die letztere Option spricht die Person des Schreibers, Niccolò Fonzio. Er war der Bruder des Humanisten Bartolomeo Fonzio, der eine Schlüsselrolle in der Ausformung des Bestandes der Bibliotheca Corvina in den späten 1480er Jahren spielte. Niccolò Fonzio besichtigte im Jahre 1489 sogar den Budaer königlichen Hof und wurde von König Matthias beauftragt, die inhaltliche Erweiterung der königlichen Bibliothek von Florenz aus zu koordinieren. Niccolò Fonzio arbeitete von Anfang an eng mit seinem Bruder, der gelegentlich auch als Schreiber wirkte, zusammen. Als Bartolomeo der Bibliothekar des Bankiers Francesco Sassetti war, kopierte Niccolò zahlreiche Handschriften für die Sassetti-Bibliothek, in denen die Marginalien, die den Inhalt markierten, von Bartolomeo stammen (vgl. Scipioni 2021, 13; zur Sassetti-Bibliothek zusammenfassend s. De la Mare 1976a). Es ist aber auch möglich, dass die Appian-Handschrift durch Bartolomeo Fonzio in den späten 1480er Jahren in die königliche Bibliothek in Buda gelangte. Dies umso mehr, als auch eine weitere Appian-Handschrift mit Pier Candido Decembrios Übersetzung für Matthias Corvinus bei Attavante degli Attavanti in den späten 1480er Jahren bestellt wurde. Sie ergänzt inhaltlich den Wiener Cod. 133 (liber Lybicus, Syrius, Parthicus, Mithridaticus) (Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.68.19). Die Anschaffung eines bedeutenden Teiles des Appian-Oeuvre war daher möglicherweise ein Ergebnis der Koordinationsarbeit von Bartolomeo Fonzio für die Bibliotheca Corvina.

Aus der Bibliotheca Corvina sind auch zwei andere Handschriften bekannt, die von Niccolò Fonzio kopiert und von Bartolomeo annotiert wurden: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut.73.4 (Celsus) und Modena, Biblioteca Estense Universitaria, Lat. 472 = alfa.X.1.10 (Strabo, frühere Sassetti-Handschrift, das Sassetti-Wappen ist von dem des Matthias übermalt). Die Augustinus-Corvine mit den Enarrationes in Psalmos I–LVI, stammt ebenso von Niccolòs Hand (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.theol.et.phil.fol.152).

Auch die erste Option (Ankauf durch ungarische Prälaten um 1470) kann mit Bartolomeos Person und dessen Freundeskreis verbunden werden. Forschungen haben darauf hingewiesen, dass sowohl bei den florentinischen Bucherwerbungen für Johannes Vitéz de Zredna, als auch bei dem großen Codexankauf für György Handó im Jahre 1469 der ungarische Humanist Péter Garázda eine wichtige Vermittlungsrolle spielte. Er hielt sich zu dieser Zeit für Studien in Florenz auf und war Mitglied dieses Freundeskreises. Die humanistischen Handschriften, die damals nach Ungarn – einige davon später in die Bibliotheca Corvina – gelangten, haben zahlreiche Merkmale, die auf die Mitglieder des erwähnten Freundeskreises hinweisen. Alle Mitglieder, nicht nur die Gebrüder Fonzio, beteiligten sich an Handschriften: die meisten wurden von Piero Cennini (c. 1445–1484) abgeschrieben, eine Abschrift von Nastagio Vespucci (1426–1482) ist in der Bibliotheca Corvina erhalten geblieben und wurde von Piero Cennini korrigiert (Wien, ÖNB, Cod. 140). (Zur Handschriftenproduktion dieses Kreises, sowie zu seinen Verbindungen zu Ungarn und besonders zu Péter Garázda vgl. Cod. 224, Offene Fragen zur Provenienz.)

Zitiervorschlag

Die Wiener Corvinen. Beschreibung von Wien, ÖNB, Cod. 133. Version 0.1, 8.5.2025. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/fedora/objects/o:crv.cod-133/methods/sdef:TEI/get

Verantwortlich für die Beschreibung

Ivana Dobcheva (Kodikologie), Katharina Kaska (Kodikologie), Marianne Rozsondai (Einband), Friedrich Simader (Geschichte), Maria Theisen (Buchschmuck), Edina Zsupán (Texterschließung, Literaturerfassung)

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