Richtlinien der Katalogisierung1

Das Projekt zielt auf detaillierte Beschreibungen, die über die üblichen Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung hinausgehen ab. Sie sind im Einklang mit bisherigen Katalogisierungsprojekten zu Beständen der Bibliotheca Corvina (Corviniana) und sprechen spezifische Fragestellungen der Corvinenforschung an, wie dies bereits in früheren Bänden der Reihe Supplementum Corvinianum durchgeführt wurde.

Die Beschreibungen verbinden dabei die österreichischen Vorgaben für „Textkataloge” und jene für Kataloge mit kunsthistorischem Schwerpunkt. Als Grundlage dienen die Beschreibungsrichtlinien Otto Mazals von 1973/4, die mit den für den Buchschmuck relevanten Kategorien aus den österreichischen Richtlinien für Kataloge illuminierter Handschriften erweitert wurden.

Dies betrifft beispielsweise den Punkt A(usstattung) der Beschreibungsrichtlinien. Hier werden ein kurzer allgemeiner Text zur Ausstattung sowie knappe, stichwortartige Beschreibungen des auf den einzelnen Seiten vorhandenen Buchschmucks angeführt. Eine ausführlichere Diskussion der Ausstattung wurde in den Abschnitt „Stil und Einordnung“ ausgelagert, wo der Buchschmuck in einen größeren Kontext gesetzt wird. Durch diese Zweiteilung, die auch für andere Bereiche gewählt wurde, bleibt der Katalogteil übersichtlich, ohne jedoch die für kunsthistorische und andere detaillierte Untersuchungen relevanten Informationen einzuschränken.

Wo immer es sinnvoll erscheint und aufgrund der Forschungsliteratur möglich ist, wird zusätzlich zur standardisierten inhaltlichen Erschließung ein eigener Paragraf zur Textgeschichte eingefügt, der Informationen über die Position der Handschrift innerhalb des Textstemmas, Diskussionen zur Textzusammenstellungen und Ähnliches aufnimmt. So besteht die Möglichkeit, den Entstehungskontext der Handschriften und damit indirekt auch mögliche Erwerbungswege näher zu beleuchten.

Die Textgeschichte ist ein Baustein in der für die Corvinen besonders wichtigen Provenienzgeschichte, die alle Stationen vom Entstehungsort der Handschrift über ihre Eingliederung in die Bibliotheca Corvina (Corviniana) bis zur Überführung an ihren heutigen Aufenthaltsort umfasst. Zwar sind in allen Katalogisierungsrichtlinien Abschnitte zur Geschichte der Handschrift vorgesehen, diese erlauben jedoch nur, sicher nachgewiesene Informationen aufzunehmen. Für die Corvinen lassen sich aus der Kombination von Informationen zu Text, Ausstattung, Annotationen, Erwerbungszeitpunkt etc. jedoch häufig wahrscheinliche Provenienzwege diskutieren, die in herkömmlichen Beschreibungen keinen Platz haben. Es wurden daher alle sicher nachweisbaren und wahrscheinlichen Stationen der Handschrift in die Katalogbeschreibung unter G(eschichte) aufgenommen, für zusätzliche Informationen und Diskussionen aber ein eigener Abschnitt „Offene Fragen zur Provenienz“ angelegt.

Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass eine Tiefenerschließung der Corvinen, die Expertise auf mehreren Gebieten benötigen, kaum von einem einzigen Bearbeiter bewältigbar ist. Es bot sich daher an, vom gängigen österreichischen Modell des Einzelkatalogisators abzuweichen und eine Katalogisierung in einem binationalen Team durchzuführen, das von Katharina Kaska (ÖNB) koordiniert wird. Als größte Expertin für Corvinen generell ist Edina Zsupán (Országos Széchényi Könyvtár) an allen Teilaspekten beteiligt. Sie ist hauptverantwortlich für die inhaltliche Erschließung, bei der sie Katharina Kaska unterstützt. Die griechischen Corvinen werden von Christian Gastgeber (Österreichische Akademie der Wissenschaften) neu erschlossen. In einer frühen Projektphase führte Ivana Dobcheva (ÖNB) zusätzliche kodikologische Erschließungsarbeiten durch. Für die Beschreibung sowie die regionale und zeitliche Einordnung des Buchschmucks zeichnet Maria Theisen (Österreichische Akademie der Wissenschaften) verantwortlich, während die Einbände von Marianne Rozsondai beschrieben werden. Das teils sehr umfängliche und komplexe Kapitel der Provenienzgeschichte wird von Friedrich Simader (ÖNB) gemeinsam mit Edina Zsupán bearbeitet.

Als weitere Neuerung für die österreichische Handschriftenerschließung nutzt das Projekt von Beginn an die Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) für die Umsetzung der Beschreibungen und Darstellung der Daten. Als Grundlage für die technische Umsetzung des Projekts auf der Editionsplattform der ÖNB dienen die TEI P5 Customization and Encoding Guidelines for Manuscript Description, die für die Katalogisierung wichtiger britischer Handschriftenbestände zusammengestellt wurden.2 Sie präzisieren die Vorgaben für das msDesc Element in TEI, das die konzise Katalogbeschreibung für die Corvinen strukturiert.

Zusätzlich werden für die bereits besprochenen, umfangreicheren verbalen und weniger strukturierten Auslegungen zu Stil und Einordnung des Buchschmucks, zu offenen Fragen zur Provenienz und zur Textgeschichte weitere Abschnitte eingefügt sowie relevante Informationen wie Personen, Orte, Organisationen oder Signaturen getaggt.


Fußnoten

  1. Die Beschreibung der Richtlinien beruht auf dem ausführlicheren Aufsatz E. Zsupán / K. Kaska / M. Theisen, Gemeinsam zum Ziel – die Erschließung der Handschriften aus der Bibliothek des Matthias Corvinus in der Österreichischen Nationalbibliothek. Bibliothek und Wissenschaft 55 (2022), S. 185–204.
  2. https://msdesc.github.io/consolidated-tei-schema/msdesc.html#msitem
Tabelle 1: Projektdaten
KategorieInhalt
Projektlaufzeit:seit 2020
Zitiervorschlag:Wiener Corvinen. Bearbeitet von: I. Dobcheva, V. Drescher, Ch. Gastgeber, K. Kaska, M. Rozsondai, F. Simader, M. Theisen, E. Zsupán. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/context:corvinen

Tabelle 1: Projektdaten
KategorieInhalt
Projektlaufzeit:seit 2020
Zitiervorschlag:Wiener Corvinen. Bearbeitet von: I. Dobcheva, V. Drescher, Ch. Gastgeber, K. Kaska, M. Rozsondai, F. Simader, M. Theisen, E. Zsupán. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/context:corvinen

Zitiervorschlag
Richtlinien der Katalogisierung. In: Wiener Corvinen. URL: https://digi-doc.onb.ac.at/fedora/objects/o:crv.red-editionguidelines/methods/sdef:TEI/get